Mein Senf zu: Oskars Kleid (Film)
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Zum Geburtstag gibt von unserem Kino dank Bonusprogramm immer eine Freikarte. Da mein Mann kurz vor mir Geburtstag hat und die Karten zwei Wochen gültig sind, können wir dann immer eine Gratis-Vorstellung zusammen genießen. Diesmal lief nicht so viel im Kino was wir gerne sehen wollten, das machte die Entscheidung einfacher. Außerdem wollte ich unbedingt „Oskars Kleid“ sehen. Darauf fiel dann auch die Entscheidung.
Originaltitel | Oskars Kleid |
Anbieter | aktuell noch im Kino; oder bei Amazon zum Kaufen oder Leihen (Stand: 23.01.23) |
Produktionsland | Deutschland |
Erscheinungsjahr | 2022 |
Spieldauer | 1 Std. 42 Min. |
Genre | Drama > Familie > LGBTQ |
FSK | ab 6 Jahren |
Drehbuch | Florian David Fitz |
Regie | Hüseyin Tabak |
Figur(en) | Schauspieler*in |
Ben | Florian David Fitz |
Oskar | Laurì |
Mira | Marie Burchard |
Erna | Ava Petsch |
Diego | Juan Carlos Lo Sasso |
Herr Kornmann | Burghart Klaußner |
Frau Kornmann | Senta Berger |
Es gibt noch weitere Rollen.
Trailer
Mein Senf
Wo soll ich anfangen? Bei diesem Film ist das tatsächlich nicht so einfach… Vielleicht erst einmal so: Der Film hat mir gefallen. Er hat mich unterhalten und mir auch die ein oder andere Träne abverlangt. Es ist super, dass ein großer Mainstream-Film fürs Kino die Thematik „Transidentität“ behandelt und so mehr Menschen damit in Kontakt bringt.
ABER. Dieses große „aber“ ist es, worüber ich jetzt mehr sprechen möchte, denn ich versuche immer zu reflektieren und zu hinterfragen – auch und ganz besonders mich selbst und mein Handeln. Ich versuche dabei nicht zu spoilern, falls du den Film auch noch sehen möchtest.
Fangen wir mal beim Titel an: „Oskars Kleid“. Es sollte klar sein, bzw. wenigstens durch den Film klar werden, das es nie Oskars Kleid war, sondern immer schon Lilis. Oskar hat sich nicht plötzlich dazu entschieden, jetzt ein Mädchen sein zu wollen, das Kind war schon immer eins. Lili wurde bei der Geburt aber das falsche Geschlecht zugeschrieben.
Ich fürchte, dass mir das ohne mein Vorwissen, also nur mit dem Film, aber am Ende nicht klar wäre. Für mich sähe es so aus – wie es auch in fast jeder Inhaltsangabe auf diversen (Kino-)Film-Websites zu finden ist btw. – als hätte Oskar sich plötzlich entschieden, jetzt ein Mädchen zu sein.
Praktischerweise erst nach der Trennung vom Vater. Erst, als nicht mehr dieses krass männliche Vorbild (/s) da war. Finde ich ehrlich gesagt schwierig.
Klar, im Laufe des Films, nennt Ben sein Kind immer wieder noch Oskar oder spricht von seinem Sohn. Für Ben ist Transidentität völlig neu, eine „Gendererfindung“, die halt gerade im Trend liegt. Von dem Punkt aus ist das also nachvollziehbar. Der Film erzählt ja auch aus Sicht von Ben, daher passt das so. Er lernt langsam dazu und schafft auch irgendwann den gedanklichen Sprung hin zu Lili.
Man hätte die Thematik „man sucht das nicht aus, man wird so geboren“, aber bestimmt noch deutlicher machen können, hätte man sich entschieden, nicht tausend andere Themen zu behandeln.
Da gibt es Bens Familienprobleme (nicht nur bezüglich seiner Exfrau), Überlastung der Polizei, ausleben bzw. akzeptieren von Religion und Alkoholismus. Das sind zumindest die präsentesten Themen. Als wäre Transidentität und auftretende Transfeindlichkeit nicht genug. Nein, wir brauchen ein ganzes Potpourri an polarisierenden Themen, damit es schön knallt (/s). Und damit auch wirklich jede*r alles versteht, bedient man sich an so vielen Klischees wie möglich.
Da haben wir die gut betuchten Juden, die immer und überall Antisemitismus sehen oder die starken, allesamt männlichen Polizisten – ich erinnere mich jedenfalls an keine Frau auf dem Revier – die keine Gefühle zeigen und die Care-Arbeit ja auch wohl besser ihren Frauen überlassen sollten.
Die Sache mit dem, in dem Falle „eingebildeten“, Antisemitismus finde ich übrigens besonders problematisch, da die durchaus ernste Thematik und das immer noch große gesellschaftlich bestehende Problem verharmlost, sogar fast ins Lächerliche gezogen werden.
Neben dieser „Aha, bestimmt weil er Jude ist“-Szene gibt noch eine weitere, die mir im Rückblick besonders sauer aufstößt. Es ist schwierig jetzt darüber zu schreiben ohne zu spoilern, aber ich versuche es:
Als es zum dramatischen Höhepunkt kommt, vertauschen sich in besagter Szene plötzlich auf sehr bedenkliche Weise die Rollen von Kind und Erwachsenem. Das macht nur noch deutlicher, aus wessen Sicht die Geschichte erzählt wird – und sie macht so einige Probleme von Alkoholismus deutlich, wenn man kurz darüber nachdenkt. Schwierig finde ich, dass hier nicht differenzierter an die Sache herangegangen wird. Es wirkt wie der große emotionale Höhepunkt und Bens Akzeptanz-Moment hinsichtlich der Hauptthematik des Films, wonach auch gleich ein Zeitsprung kommt. Alles was daran problematisch ist, fällt hinten runter.
Genau dieses Gefühl ist es auch, was mich das Ende als schwierig, zu gewollt und kitschig wahrnehmen lässt. Alle Probleme sind plötzlich behoben und vergessen. Friede, Freude, Eierkuchen! Klar, ein Happy End ist schön und auch wünschenswert, aber auch ein Happy End muss nicht nur aus Einhörnern und Regenbögen bestehen. Es kann auch einfach ein realistisches Happy End sein. Ein Satz hätte gereicht, um zu signalisieren, dass Probleme (hier Alkoholismus) ernst genommen werden und daran aus sinnvolle Weise gearbeitet wird.
Als abschließendes Fazit, kann ich also sagen: Ja, es ist richtig gut und super wichtig, dass Transidentität – gerade jetzt, wo es auch so viele Diskussionen um das Selbstbestimmungsgesetzt gibt – mehr im Mainstream-Unterhaltungs-Bereich (Filme, Serien, Literatur…) thematisiert wird und ankommt.
Noch schöner wäre es aber, würde das Ganze vielleicht aus Sicht Betroffener erzählt und nicht so extrem durch den heteronormativen , aber vielleicht erwarte ich da zu schnell, zu viel. Veränderung ist immer ein Lernprozess und ich beschäftige mich einfach schon länger mit der Thematik.
Deine
Marina
(DarkFairy)