Die Geschichte von Ivan, dem Schnecklichen

Sei gegrüßt.

Ich weiß, der Titel klingt schwer nach Märchenstunde, aber eigentlich soll das hier gar keine werden. Ich mochte den Titel einfach. Genau wie den Namen: Ivan, der Schneckliche.

Schnecke mit großem Loch im Schneckenhaus in einer Dose
Ivan am Abend des Fundtages. Der Schaden am Haus ist hier gut zu sehen.

Aber von vorne. Anfang September waren mein Mann und ich einkaufen. Auf dem Heimweg entdeckten wir mitten auf der Straße eine Schnecke mit massivem Schaden im Häuschen.
Schon lange hatte ich mir vorgenommen, wenn ich nochmal eine Schnecke mit beschädigtem Haus finde, päppel ich sie wieder auf. Mein Mann wusste dass und meinte nur: „Na, nimm sie schon mit!“
Gesagt getan. Die Schnecke kam mit und wurde postwendend auf den Namen „Ivan, der Schneckliche“ getauft.

Zuhause habe ich als erstes das Loch verarztet. Unter dem Haus liegen direkt die Organe der Schnecke, sodass man hier vorsichtig sein muss, es nicht schlimmer zu machen als vorher. Mit einer Pinzette habe ich sehr vorsichtig die Bruchstücke des Schneckenhaus entfernt und alles mit etwas Wasser aus einer kleinen Sprühflasche ausgespült.
In der Zeit hat mein Mann ein provisorisches Schneckenterrarium gebaut. In den Deckel einer alten Haribo-Dose (diese runden 1kg Dinger) hat er ein paar Löcher gebohrt, damit Ivan auch Luft bekommt. In die Dose kam dann eine Schicht Blumenerde, etwas Salat und natürlich Ivan. Abschließend habe ich alles noch mal schön feucht gesprüht und die Dose verschlossen an einer Stelle aufgestellt, wo die Sonne nicht direkt hinkommt.
Im nächsten Schritt war es wirklich ein Glücksfall, dass mein Mann nicht vegan lebt und sich seit Ewigkeiten nochmal ein paar Eier gegönnt hatte, denn die Schnecke braucht Kalk. Während mein Mann sich also Spiegeleier gebraten hat, habe ich die Eierschale gesäubert und dann mit dem Mörser zermahlen. Die zermahlene Eierschale habe ich dann in Ivans Krankenstation verteilt.
Damit war die Erstversorgung der Schnecke sichergestellt. Jetzt hieß es hoffen. Bisher hatte sich Ivan noch nicht aus seinem Häuschen gewagt und produzierte verhältnismäßig viel Schleim. Ein bisschen sah es aus, als schäumte der Eingang des Häuschens. Ich habe wirklich gedacht, dass er es nicht schafft, dass doch Organe verletzt wurden.

Am nächsten Tag zeigte sich, dass meine Angst unbegründet war. Ivan klebte morgens an der Decke seiner Krankenstation und chillte dort vor sich hin.
Ich wollte schon fleißig Ausstattung kaufen, aber dann habe ich erstmal bei einem Freund nachgehört, der Schildkröten hat, ob er mir mit ein paar Dingen aushelfen kann. Er hat mir dann seine Terrarium-Transportbox geliehen und außerdem eine Sepiaschale mitgebracht, die ich klein geraspelt habe, um Ivan mehr Kalk zu liefern.
Tatsächlich haben wir dann aber nach dem Wochenende doch noch Kalk bestellt, der Online für Schnecken empfohlen wurde, da ich nun sicher war, dass Ivan es übersteht. Es hatte sich bereits eine dünne Kalkhaut über der zerstörten Stelle gebildet.
Das Video unten (Link zu YouTube: https://www.youtube.com/shorts/rScp97KqnYw) ist am zweiten Tag nach Ivans Auffinden entstanden.

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Also habe ich Ivan dann mit Kalk, Feuchtigkeit und Leckereien versorgt. Löwenzahn und Brennnessel standen genauso auf dem Speiseplan wie Salat und Gurke. Gemessen an der Geschwindigkeit, mit der Ivan sie verputzt hat, scheint die Gurke ein Highlight gewesen zu sein. Ich hatte großen Spaß daran, Ivan beim Fressen oder Herumkriechen zu beobachten.
So gerne ich den Schnecklichen mochte, schließlich hieß es aber wieder Abschied nehmen. Eine Wildschnecke ist ein Wild- und kein Haustier! Ich weiß nicht, ob das Häuschen sich wieder komplett regeneriert und wenn ja, wie lange das dauert. Die gebildete Kalkhaut wirkte aber zumindest so robust, dass Ivan es nun auch alleine draußen wieder schaffen könnte. Genau zwei Wochen nachdem Ivan bei uns eingezogen ist, haben wir ihn in der Dämmerung wieder frei gelassen. Seine Chancen zu überleben sind jetzt auf jeden Fall höher, als noch vor zwei Wochen.

Wieso erzähle ich dir das eigentlich alles? Also erstmal mochte ich Ivan sehr und erzähle gerne von dem Schnecklichen.
Aber ich möchte auch dazu anregen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Verantwortung für andere Lebewesen auf diesem Planeten zu übernehmen. In meiner Berufsschulklasse war jemand, der sagte mal, der Mensch solle nicht Gott spielen, daher würde er z.B. auch nie Regenwürmer von der Straße retten. Ich, die das regelmäßig tut – oder eben Schnecken-Krankenhäuser einrichtet – finde, dass diese Argumentation etwas kurz greift. Der Mensch hat ja schon Gott gespielt – oder zumindest die Verhältnisse stark beeinflusst und Chancen verschoben. Der Mensch hat die Straßen geteert, wo vorher Natur war. Er rast mit Autos herum. Flächen werden versiegelt, Pflanzen entfernt. Solange wir uns das Recht herausnehmen, die Erde so zu formen und zu beeinflussen, wie wir sie haben wollen, sollten wir auch unserer Verantwortung für mögliche Folgen wahrnehmen.
Eine Schnecke mit defektem Häuschen mitten in einem geteerten Wendehammer in der sengenden Sonne liegen zu lassen, finde ich nicht verantwortungsbewusst. Davon abgesehen hat es absolut gar nichts damit zu tun „Gott“ zu spielen, wenn wir helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Also öfter mal helfen, auch den eher unscheinbaren Lebewesen unter uns.

Schnecke kriecht von einem Plastikdeckel in eine Wiese
Ivan bei der Auswilderung. Genau zwei Wochen nach dem Auffinden.

Falls du auch eine verletzte Schnecke finden solltest, findest du online viele Anleitungen, was zu tun ist.
Diese hier habe ich genutzt und fand sie sehr gut: https://utopia.de/ratgeber/zertretenes-schneckenhaus-reparieren-so-gehts/ (Stand: 16.09.23, 18:26 Uhr)

Deine
Marina
(DarkFairy)

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