Kurzgeschichte: Thyria Bagosch
Thyria Bagosch – Rattenfängerin
Vielleicht war Rattenfänger nicht gerade ein Beruf, von dem die Menschen träumten, auf den man stolz sein konnte, aber Thyria war anders.
Thyria richtete sich auf, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und warf die letzten toten Ratten ihren Sack. Sie war stolz auf sich. Sie hatte den gesamten Tempel von Ratten befreit. Natürlich hatte sie nicht schon immer Rattenfängerin werden wollen, aber die Götter hatten ihr diesen Weg zugeteilt.
Als uneheliches Kind eines adligen Taugenichts und einer Baderin, war sie in Eslamsgrund aufgewachsen. Ihren Vater hatte sie nie zu Gesicht bekommen, aber ihre Mutter hatte sich immer liebevoll um sie gekümmert. Sie wohnten zu zweit in einer kleinen Wohnung, die ihre Mutter angemietet hatte. Im Eingangsraum, empfing ihre Mutter die Kunden, in dem zweiten, hinteren Raum, war ihr Heim. Zusammen hatten die beiden alles durchgestanden. Auch die schwereren Zeiten, als kaum Geld hereinkam. Ihre Mutter hatte immer alles gegeben und Thyria stets gesagt: „Es ist egal, wie schwer es sein mag, aber du musst versuchen immer fröhlich zu sein. Den Fröhlichen stehen alle Wege offen! Ihnen gehört die Welt!“ Nach diesem Motto lebten Thyria und ihre Mutter, bis diese eines Tages von einem Kunden vergewaltigt wurde und den Mann aus Not erstach.
Der Mann aber war ein angesehener Bürger Eslamsgrunds gewesen und dessen Ehefrau hatte Angst vor einem Skandal. Also bestach sie den Richter. So wurde ihre Mutter von den Stadtbütteln abgeführt und zum Tod am Galgen verurteilt, als Thyria gerade 14 Jahre alt geworden war. Als die Männer sie abholten, lächelte sie ihrer Tochter zu und sagte: „Keine Angst mein Kind. Ich geh an einen besseren Ort. Aber solange du lebst, sollst du fröhlich sein! Geh und mache dir die Welt zu Eigen!“ Thyria weinte, nickte aber trotzdem stumm, zu groß war ihre Angst und ihre Trauer, als das sie hätte Antworten können.
Thyria blieben nur wenige Tage um zu trauern, bevor sie jäh dazu gebracht wurde sich über ihr weiteres Leben Gedanken zu machen. Der Vermieter ihrer Wohnung stand bald vor ihrer Tür. Da ihre Mutter nichts gehabt hatte, dass sie hätte sparen können, konnte Thyria die Miete nicht weiter bezahlen und so setzte der Vermieter sie vor die Tür. Nur ein paar kleine Habseligkeiten wie Seifen, Badeöle und einen Holzkamm hatte sie mitnehmen können. Der Rest gehörte entweder schon dem Vermieter oder er hatte es einbehalten um die ausstehende Miete zu decken. Thyria verkaufte alles, was sie hatte mitnehmen können, alles bis auf den Holzkamm, welchen sie als Andenken an ihre Mutter behielt.