Der Weihnachtself – Seite 8 – Mein Senf für die Welt

Der Weihnachtself

Als Christoph Jung aufgelegt hatte und ins Wohnzimmer zurückkehrte, beobachtete er den Elf eine Weile. Dieser ließ sich bei seinen Aufzeichnungen nicht stören.
„Darf ich fragen, was du da eigentlich immer schreibst?“, fragte Jung schließlich.
Agilof sah auf und lächelte. „Sicher“, meinte er und übergab das Buch an den Priester.
Interessiert blätterte Jung durch das Buch. Es enthielt einige kurze Einträge zu den letzten Tagen, aber auch detaillierte Berichte, wie zum Beispiel über das Altenheim oder die Nachrichten. Er entdeckte sogar ein paar Zeichnungen. Da war eine von seinem Auto. Ebenso entdeckte er seinen Fernseher und eine Skizze der Tiefkühlpizza vom vorherigen Tag – nebst ausführlicher Beschreibung derselben. Überrascht stellte er fest, dass der Elf auch eine Zeichnung von Frau Schuster sowie von ihm angefertigt hatte. Verwundert hob er den Blick. „Deine Zeichnungen sind wirklich sehr gut“, meinte er anerkennend.
„Habt Dank. Dies war einer der Gründe, wieso die Ältesten mich für diese Mission auserwählt haben. Ich habe eine gute Beobachtungsgabe und das Talent meine Beobachtungen festzuhalten.“
„Das sehe ich.“ Der Priester betrachtete noch einmal kurz das Portrait seiner selbst und reichte dem Elfen dann das Buch zurück.
„Hör mal, was wirst du eigentlich tun, wenn sich heute Nacht kein Tor für dich öffnet?“, fragte er schließlich.
Der Elf schwieg eine Weile nachdenklich. „Ich vertraue auf die Ältesten, aber falls dies wirklich geschehen sollte, so bin ich in Eurer Welt gefangen. Was ich dann tun werde, weiß ich nicht. Sicherlich werde ich versuchen, einen Weg zurück zu finden.“, meinte er dann.
„Wenn du irgendwie Hilfe brauchst, so werde ich gerne versuchen dir diese zukommen zu lassen.“
„Ich danke Euch, Christoph, aber ich bin überzeugt, dass dies gar nicht nötig sein wird.“
Der Priester nickte nur und hing dann seinen eigenen Gedanken nach. Wie würde Agilof wohl reagieren, wenn er erkennen musste, dass es kein magisches Tor in eine andere Welt gab. Was würde er tun? Jung mochte den Mann, der dort auf seinem Sofa saß, irgendwie und er hatte noch immer zu seinem Wort gestanden. Er würde Agilof helfen. Ihm vielleicht einen Platz bei einer Therapie besorgen, ihm helfen seine Familie zu finden, vielleicht einen Job – irgendwie so etwas eben.

Die verbleibenden Stunden, bis sie sich schließlich auf den Weg in den Koblenzer Stadtwald machten, verbrachten die beiden Männer mit Reden und Fernsehen. Als sie aufbrachen, sah sich Agilof noch einmal leicht wehmütig in der Wohnung des Priesters um. Dann legte er seinen Umhang an, nahm seine Tasche und sein Schwert und folgte dem Priester zum Auto. Auf der Fahrt schwiegen beide. Jung, weil er sich immer noch Gedanken machte, wie Agilof gleich reagieren würde und Agilof, weil in diesen drei Tagen einfach viel zu viele Gedanken in seinem Kopf entstanden waren.

Während Agilof sich bestens im Wald zurecht zu finden schien, war der Pastor froh, dass er an eine Taschenlampe gedacht hatte. So standen sie schließlich mitten in der Nacht im stockfinsteren Wald und warteten. Agilof hatte das Schwert nun wieder umgegürtet und ließ seinen Blick über die Ruinen der römischen Tempelanlage schweifen. Jung warf einen Blick auf die Uhr. Fünf vor zwölf. Er schüttelte den Kopf und überlegte, wie er sich nur hierfür hatte bereit erklären können. Andererseits war er davon überzeugt, dass Agilof ihn gleich brauchen würde.
„Und hier bist du also vorgestern Nacht gelandet?“, fragte Jung endlich, um die Stille zu durchbrechen.
„Ja. Gleich nach meiner Ankunft stieg ich auf einen Baum und habe von dort diesen Turm gesehen, von dem ich Euch berichtet habe.“
„Aha.“
Wieder ein Blick auf die Uhr. Punkt Mitternacht.
„Siehst du, Agilof. Jetzt haben wir Mitternacht und es passiert überhaupt…“ Der Priester verstummte, als ein Licht über einem der Mauerreste erschien. Er zog die Augenbrauen in die Höhe und beobachtete sprachlos, wie das Leuchten sich ausbreitete und einen Torbogen, flankiert von zwei schweren, gewundenen Säulen aus Licht formte.
„Aber das… das ist unmöglich…“, stieß er hervor.
Agilof aber lächelte und meinte: „Ich sagte Euch, dass Ihr letztlich die Wahrheit erkennen würdet. Es ist nicht unmöglich. Es ist Magie. Wartet bitte kurz, Christoph.“
Agilof trat durch das Tor, war aber kurz darauf zurück.

„Die Ältesten werden das Tor geöffnet halten, bis ich mich von Euch verabschiedet habe, Christoph. Ich möchte mich für alles bedanken, was Ihr für mich getan habt.“
Der Priester war noch immer fassungslos. Als ihm bewusst wurde, dass Agilof die ganze Zeit die Wahrheit gesagt hatte, war er nicht sicher, ob er lachen oder weinen sollte.
„Hört mich an, Priester. Ich weiß, dies hier muss für Euch so verwirrend sein, wie Eure Welt für mich.“
Jung schüttelte schließlich ungläubig den Kopf. „Ich dachte die ganze Zeit, du seist verrückt. Und jetzt stehst du hier vor einem Tor aus Licht.“
„Versucht nicht es jetzt zu verstehen. Nehmt Euch dafür Zeit. Ich möchte mich nun von Euch verabschieden.“
„Was wirst du deinen Ältesten nun berichten? Über unsere Welt?“, fragte Jung den Elfen, ohne seine Bemerkung über die Verabschiedung zu beachten.
„Ich werde ihnen berichten müssen, dass es nicht möglich sein wird die Mauer einzureißen. Zu groß ist die Kluft, die unsere Welten trennt. Außerdem…“
„So sind die Menschen wirklich so schlecht?!“
„Das sind sie wohl. Ihr aber zeigtet mir, dass sie es nicht alle sind! Dank Euch weiß ich, dass es eine Hoffnung für diese Welt gibt. Ihr seid ein guter Mensch, Christoph. Möge die Sonne stets Eure Wege erleuchten, sanfter Regen Eure Felder wässern und mögen Euch alle guten Mächte dieser Welt zur Seite stehen.“
Der Elf ballte die rechte Hand zu einer Faust, legte sie auf seine Brust und verneigte sich tief vor dem Priester.
Dieser wusste nicht recht, was er tun sollte. So antwortete er schließlich: „Gott schützte dich, Agilof.“
Der Elf richtete sich wieder auf und kramte kurz in seiner Tasche. Er zog einen schweren Lederbeutel hervor.
„Dies ist alles Gold, das die Ältesten mir für die Erfüllung meiner Mission mitgaben. Ich möchte, dass Ihr es bekommt. Ich bin mir sicher, Ihr wisst, was damit zu tun ist.“ Agilof überreichte Jung den Beutel. Als der Priester in vorsichtig öffnete, kamen unzählige Goldmünzen darin zum Vorschein.
„Aber das kann ich doch nicht annehmen…“
„Doch, könnt Ihr. Tut mir nur einen Gefallen: Fragt Frau Elsbeth, ob Ihr etwas für Sie tun könnt und richtet Ihr meine Grüße aus. Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Der Zauber ist kräftezehrend und ich möchte die Ältesten nicht so lange damit belasten. Lebt wohl, Priester. Und wer weiß, vielleicht werden wir uns ja eines Tages wiedersehen. Ich werde diesen Tag mit Freude erwarten.“
Damit trat der Elf durch das Tor, welches sogleich zu verblassen begann. Bald war es wieder stockfinster in den Ruinen.

Jung starrte noch immer auf die Stelle, an der der Elf im Licht verschwunden war. Würde er nicht den schweren Beutel voller Gold in den Händen halten, würde er wahrhaftig an seinem Verstand zweifeln.
Plötzlich kam dem Pastor ein Gedanke und er lachte verzweifelt auf. Wie, um Himmelswillen, sollte er nur Alex, dem Polizisten, erklären, dass der Fremde einfach verschwunden war?

 

Ende

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5 Antworten auf “Der Weihnachtself

  1. Neugierig, wie ich nun mal bin, habe ich angefangen, Deine Geschichte zu lesen. Sehr interessant, ehrlich!
    Da ich aber wegen meiner Augen nicht so lange (ist natürlich relativ…) lesen kann meine Frage:
    Ist ausdrucken möglich? Und wenn ja, wie mach ich das? Wenn das aber nicht geht, dann lese ich halt in Raten, will doch unbedingt wissen, wie es weiter geht und endet!
    LG Ingrid

    1. Du kannst auf PDF klicken (ganz oben auf seite 1) und dann öffnet sich entweder eine neue Registerkarte (jenachdem welchen browser du nutzt) oder du kannst das speichern. Wenn das PDF offen ist, kannst du die Geschcihte ausdrucken. Oben rechts ist ein Drucker Symbol.

      Freut mich, wenn sie dich schon neugierig gemacht hat :D

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