Der Weihnachtself – Seite 2 – Mein Senf für die Welt

Der Weihnachtself

Prolog

„Du hast drei Tage. Am Ende des dritten Tages, um Mitternacht, werden wir das Tor wieder für dich öffnen. Bist du dann nicht an dem Ort, an dem du gelandet bist, dann gibt es für dich kein Zurück mehr. Hast du das verstanden?“
„Ich habe verstanden.“
„Gut, dann geh nun. Wir bereiten das Ritual zur Öffnung des Tores vor. Wir müssen wissen wie es mittlerweile in der Menschenwelt aussieht. Sei in einer Stunde aufbruchbereit in der großen Halle!“

Tag 1

Agilof rieb sich die Arme. Schnee knirschte unter seinen Lederstiefeln.
Ob die Ältesten wohl gewusst hatten, dass es in der Menschenwelt so kalt war, wie in ihrer Welt im hohen Norden, wo die Eiselfen lebten? Es musste Winter sein. Winter. Davon hatte ihm seine Großmutter oft erzählt. Sie war ganz begeistert davon gewesen, wie die Welt unter einer weißen Decke aus Schnee verschwand.
Agilof konnte dieser Wettererscheinung nicht viel abgewinnen. Sie war nass und kalt. Und er hatte keine Felle bei sich, um sich warm zu halten. Die Kälte kroch in seine Knochen. Er zog seinen Umhang von neuem enger um die schmalen Schultern, aber es half nichts. Missmutig stapfte er weiter. Er war, gleich nachdem er in diesem Wald angekommen war, auf einen Baum gestiegen um sich zu orientieren. Viel hatte er nicht sehen können, aber er hatte einen hohen Turm ausmachen können. Diesen sah er nun zwischen den Bäumen gen Himmel wachsen.
Der Turm musste über 200 Meter hoch sein. Seine Wände waren glatt und weiß. Ein Stück über der Hälfte befand sich scheinbar ein großer runder Raum, der Wände aus Glas besaß und einen viel größeren Durchmesser hatte als der Turm selbst. Obwohl Agilof als Elf auch im Dunkeln sehr gut sehen konnte, konnte er nicht sagen, was sich auf dieser Plattform befand. Es sah aus wie eine wilde Ansammlung von Stäben und großen Tellern aus Metall.

Nachdem Agilof den Fuß des Turmes erreicht hatte, umrundete er diesen vorsichtig und blieb schließlich an einer Tür stehen. Unschlüssig was er nun tun sollte, sah er an dem Turm entlang nach oben. Die Ältesten hatten ihm viele Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Keiner davon befasste sich mit ominösen Magiertürmen. Denn was sonst als die Behausung eines Magiers sollte dies hier sein, mit diesen absonderlichen Gerätschaften auf dem Dach. Nun gut, Agilof wusste was sein Auftrag war, und er sollte dafür auch mit Menschen in Kontakt treten. Da konnte er auch gleich hier mit diesem Magier beginnen. Er hob die Hand und hämmerte mehrmals mit der Faust gegen die Tür. Außer einem dumpfen Nachhall seiner Schläge war im Inneren nichts zu hören. Agilof klopfte erneut. Als sich wieder nichts rührte, ging er vor der Tür in die Hocke und legte eine Hand über das Schloss. Mit geschlossenen Augen murmelte er konzentriert einige Worte in der alten Sprache der Elfen. Als er ein leises Klicken vernahm, drückte er die Tür vorsichtig auf. Lächelnd erhob er sich wieder, legte die Hand auf den Knauf seines Schwertes und betrat leise den Turm. Er schlich die Stufen empor bis er schließlich den großen Raum mit den gläsernen Wänden erreicht hatte. Von einem Magier – oder sonst einem Bewohner – hatte er keine Spur gefunden. Dieser Raum sah auch nicht so aus, als wohne hier jemand. Agilof entspannte sich, ließ die Hand vom Schwert gleiten und trat schweigend an den Rand des Raumes. Ungläubig sah er hinaus in die anbrechende Dämmerung. Noch immer hatte die Nacht ihr schwarzes Gewand über die Landschaft gelegt, aber in einiger Entfernung, vielleicht ein oder zwei Wegstunden entfernt, erhellten hunderter kleiner Lichter eine Stadt.

Ehrfürchtig ließ Agilof den Blick über die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete, schweifen. Ungläubig schüttelte er den Kopf und ließ ein kurzes, verzweifeltes Lachen hören. Er hatte sich für diese Aufgabe gemeldet, obwohl er wusste, dass sie sehr gefährlich und schwer werden konnte, also würde er sein Bestes geben. Allerdings wusste er nicht so recht wo er überhaupt anfangen sollte. Agilof seufzte und kramte kurz in seiner ledernen Tasche, die er, über die linke Schulter gehängt, bei sich trug. Er zog ein kleines, in Leder gebundenes Buch und einen Kohlestift hervor und schrieb etwas hinein.

Erster Tag, Vor der Dämmerung
Magierturm ohne Bewohner erreicht. Von dort Blick auf eine völlig andere, dennoch nicht hässliche Landschaft. Sehr große Stadt an zwei Flüssen. Werde mich nun zur Stadt begeben.

Nachdem Agilof das Buch und den Stift wieder sicher in seiner Tasche verstaut hatte, blickte er noch einmal aus dem Fenster. Am Horizont zeigte sich ein erster, schmaler Streifen einer blutroten Sonne.
Nach etwa einer halben Stunde lichtete sich der Wald und gab den Blick auf eine breite, steinerne Straße frei, auf die mit weißer Farbe Linien aufgemalt waren. Vorsichtig verließ Agilof den schützenden Schatten der Bäume, erklomm einen der großen Schneehaufen, die an den Rändern der Straße aufgetürmt lagen und blickte nach links und rechts an der Straße entlang. Nicht eine Menschenseele, geschweige denn ein Fuhrwerk war zu sehen. Schlitternd rutschte der den Schneehaufen hinab und betrat prüfend die Straße. Sie sah aus, als sei sie aus einem Stück Stein gehauen oder aber gegossen – aber das war absurd. Allerdings musste der Elf in einem sehr reichen Gebiet gelandet sein, wenn die Menschen es sich leisten konnten solch befestigte Straßen zu bauen. Plötzlich bemerkte Agilof zwei helle Lichter, die um eine Kurve und rasend schnell auf ihn zuschossen. Dazu erhob sich ein brummendes und knatterndes Getöse, das es in den Ohren schmerzte. Der Elf schirmte die Augen etwas mit der Hand ab und starrte einem metallenen Monster entgegen, das in der Höhe nicht einmal so groß war wie er selbst. Blitzschnell sauste seine Hand zu seinem Schwert, aber als das Monstrum einen lauten Ton ausstieß, der entfernt an ein Hornsignal erinnerte, besann sich der Elf eines besseren und warf sich im letzten Moment seitlich von der Straße fort in den Schneeberg. Genauso schnell wie es gekommen war, verschwand das Ungetüm wieder um die nächste Kurve. Noch während Agilof im Schnee lag und die Feuchtigkeit langsam in seine Kleidung kroch, preschten duzende weiterer dieser Monster in allen erdenklich Farben, Größen und Formen vorbei. Vor Kälte und Schreck am ganzen Leib zitternd, erhob sich der Elf schließlich und zog sich wieder in den Schutz des Waldes zurück. Außer Sichtweite zur Straße hockte er sich nieder und machte erneut Notizen in seinem Buch.

Erster Tag, Früher Morgen
Wurde von großem Metallmonster angegriffen. Beachtete mich nicht weiter, nachdem ich auswich. Artgenossen hatten genauso wenig Interesse an mir. Werde nun nicht der Straße folgen, sondern mich nach Osten wenden. Am Fluss entlang werde ich in die Stadt eindringen.

So erreichte Agilof schließlich am späten Vormittag die Stelle, an der die zwei Flüsse zusammentrafen. Zu seiner Verwunderung hatte er keinerlei Wehranlagen oder Stadtmauern gesehen und war völlig unbehelligt bis hierher gekommen. Allerdings hatte er noch viele weitere dieser metallenen Monster gesehen, aber diese hatten entweder am Straßenrand geschlafen oder ihn nicht weiter beachtet. Erst als er ganz sicher gewesen war, dass sie keine unmittelbare Gefahr darstellten, hatte er sich an ihnen vorbei getraut. Er war auch einigen Menschen begegnet, von denen aber keiner ihn aufgehalten hatte, gleichwohl sie ihn mit verwirrten Blicken gemustert hatten. Einer hatte ihm auch hinterher gerufen, dass ja wohl noch nicht Karneval sei, da Agilof mit dieser Aussage jedoch nichts anzufangen gewusst hatte, hatte er sie ignoriert.

Nun stand er frierend und gedankenverloren genau in der Spitze des hier angelegten Platzes und beobachtete ein Schiff. Wenn er auch weder Segel noch Ruder sehen konnte, so musste es doch ein Schiff sein, das, beladen mit riesigen Kisten aus Metall, schwerfällig von dem einen Fluss in den anderen abbog. Mit jedem Atemzug schien diese Welt ihm fremder und unheimlicher zu werden. Somit entschloss er sich, entgegen der Ratschläge der Ältesten, sich als erstes der Kirche zu nähern.

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5 Antworten auf “Der Weihnachtself

  1. Neugierig, wie ich nun mal bin, habe ich angefangen, Deine Geschichte zu lesen. Sehr interessant, ehrlich!
    Da ich aber wegen meiner Augen nicht so lange (ist natürlich relativ…) lesen kann meine Frage:
    Ist ausdrucken möglich? Und wenn ja, wie mach ich das? Wenn das aber nicht geht, dann lese ich halt in Raten, will doch unbedingt wissen, wie es weiter geht und endet!
    LG Ingrid

    1. Du kannst auf PDF klicken (ganz oben auf seite 1) und dann öffnet sich entweder eine neue Registerkarte (jenachdem welchen browser du nutzt) oder du kannst das speichern. Wenn das PDF offen ist, kannst du die Geschcihte ausdrucken. Oben rechts ist ein Drucker Symbol.

      Freut mich, wenn sie dich schon neugierig gemacht hat :D

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