Mein Senf zu: Der beste Beweis bist du selbst
Sei gegrüßt.
Als ich im Frühjahr dank einer Kund*innenbestellung auf „Kanak Kids“ aufmerksam wurde, hatte ich mir das Verlagsprogramm genauer angeschaut. Da gab es wirklich einige Bücher, die richtig gut klangen, aber eines, das hat mich direkt gehooked: Krasses Cover, Story klingt gut. Das musste ich lesen…
Allgemeine Infos

Gegenstand der Beweisführung: Sie selbst.
Kurzerhand wirft TJ ihre Rasierer und Pinzetten weg und cancelt ihre Termine im Waxing-Studio. Doch ihre sonst s selbstsichere und schlagfertige Art beginnt zu bröckeln, als sie merkt, dass ihr Projekt sich noch weit mehr kosten könnte als den Platz zwischen ihren Augenbrauen. Es ist ausgerechnet Charlie, ihr härtester und nervigster Debattierkonkurrent, der ihr ziemlich gute Argumente zum Beweis ihrer These liefert… und ihr Herz zum Rasen bringt!
Titel | Der beste Beweis bist du selbst |
Untertitel | – |
Autor*in | Jesmeen Kaur Deo |
Illustrationen von | – |
Übersetzung | Meritxell Piel |
Verlag | Arctis |
ISBN | 978-3-03880-063-7 |
Seiten | 411 |
Erscheinungsdatum | 16. März 2023 |
Preis (D) | 20,- € |
Mein Senf
Was ein Buch! Ich habe wirklich absolut überhaupt gar nichts zu meckern. Ganz genau so, wünsche ich mir moderne Jugendbücher.
„Der beste Beweis bist du selbst“ ist ein feministisches Buch, das sich gegen Schönheitsideale richtet. Es geht darum, was mensch von der Gesellschaft und den Medien über den eigenen Körper lernt.
Wir sind permanent mit verschiedenen Botschaften konfrontiert. Die meisten davon sagen uns, was mit uns nicht stimmt – sehr oft um irgendetwas zu verkaufen dass dieses vermeintlich falsche „korrigieren“ kann.
Konkret geht es in „Der beste Beweis bist du selbst“ – wie der Klappentext ja bereits verrät – um Körperbehaarung v.a. bei Frauen. Behaarte Frauen sieht man fast nie – nicht mal in der Werbung für Damenrasierer – und wenn werden sie als unattraktiv dargestellt. Ich denke da z.B. an zahlreiche Umstylings in Teenie-Filmen. Haare an Beinen, in den Achseln oder im Genitalbereich gelten als eklig oder sogar unhygienisch (was sie nicht sind!!!). Aber diese ganzen Botschaften machten etwas mit uns. Auch darum geht es in „Der beste Beweis bist du selbst“.
„Und genau das ist doch der Punkt, oder?“, fragt TJ leise. „Diese kleinen, fiesen Kommentare sind am schwierigsten abzuschütteln. Sie kreisen einem noch jahrelang im Kopf herum.“
„Und irgendwann fängst du an, sie zu glauben“, fügt Chandani hinzu. Sie betrachtet ihre perfekt manikürten Fingernägel. „Oder du gehörst irgendwann zu den Leuten, die so etwas sagen und andere dazu bringen, sich wie Dreck zu fühlen.“– „Der beste Beweis bist du selbst“, S. 255
Es geht aber nicht nur um Schönheitsideale, in deren Erreichung viele, auch TJ im Buch, immens viel Zeit und Geld investieren. In der Geschichte wird immer wieder gesamtgesellschaftliche Kritik eingeflochten, die dann z.T. eben auch erklärt, warum ein Großteil der Menschheit Schönheitsideale doch nie ganz erreichen kann: Stimmt z.B. der Grad der Behaarung, ist die Hautfarbe zu dunkel oder der Körper zu dick.
Ich liebe es, wie in Nebensätzen einfach deutlich gemacht wird, dass vieles davon durch patriarchale, westlich-weiße Strukturen und Sichtweisen bedingt ist:
„Doch im Grunde weiß die Medizinforschung gar nichts. Als ich noch studiert habe, hat man uns beigebracht, dass bei Cis-Frauen die Diagnose Hirsutismus [übermäßiger Haarwuchs] gestellt wird, wenn sie sich mehr als zweimal pro Monat die Geschichtsbehaarung entfernen müssen.“
TJ schnaubt verächtlich. Sie weiß genau, dass Chandani sich jede Woche die Augenbrauen zupft, genau wie TJ es früher getan hat. Für sie gehörte dieses Ritual zur Normalität. Denn TJs und Chandanis Haare wachsen schneller, dicker und länger nach als die anderer Mädchen. Plötzlich muss TJ an Dr. Chens Worte im Debattierkurs denken: Wer hat das Recht zu entscheiden, was als Krankheit zählt und was einfach zur natürlichen Vielfalt gehört?
Weiße Menschen, ganz offensichtlich.– „Der beste Beweis bist du selbst“, S. 245
Rassismus ist kein Thema des Buches, klingt aber an Stellen wie oben durchaus an. Genauso wie Queerness kein Thema ist, aber durch kleine Details wird deutlich, dass Queerness zu unserer Gesellschaft ganz normal dazugehört. Sei es durch Sätze in denen von einer Fachperson mit dem Neopronomen „sier“ gesprochen wird oder wenn kurz erwähnt wird, wie wichtig es für trans und nichtbinäre Personen ist, wenn sie ihren Körper ihrem Gender mehr anpassen können (z.B. durch kosmetische Behandlungen). TJ schreibt ihren Namen und ihre Pronomen auf ein Namensschild und das ist alles ganz normal, keine Erklärung, Diskussion oder Vertiefung ist hier nötig.
„Der beste Beweis bist du selbst“ ist ein Buch, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft ganz nebenbei widerspiegelt. Die Geschichte ist erzählt aus einer weiblichen POC Perspektive durch eine absolut nachvollziehbare Hauptfigur. Es geht darum wie wichtig Selbstliebe ist und v.a. wie schwer diese manchmal sein kann.
Das Buch bring neben allem bereits erwähnten außerdem noch absolut begeistert ein „nerdiges“ Thema rüber: Debattieren. Ich fand die Hintergründe dazu echt interessant und habe Lust bekommen mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn ein Buch sowas schafft ist das immer ein gutes Zeichen finde ich ;-)
„Der beste Beweis bist du selbst“ ist spannend, toll geschrieben und hat wie gesagt alles, was ich mir von einem Jugendbuch wünsche: Gesellschaftskritik, Diversität, Teenie-Themen und eine unaufdringliche Lovestory, die nicht nur um ihretwillen da ist, sondern auch die Handlung vorantreibt. Das Ganze verpackt hinter einem unfassbar ausdrucksstarken Cover.
In meinen Augen ist das Buch nicht umsonst 2024 von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteratur Preis nominiert worden! Gewonnen hat es aber leider nicht.
Deine
Marina
(DarkFairy)