Montagsfrage: Preisbindung?

Sei gegrüßt.

Auch wenn ich aktuell nur noch selten die Montagsfrage beantworte, schaue ich doch jede Woche nach, wie die Frage lautet. Ich entscheide dann je nach Frage, ob ich antworten möchte. Als ich heute Morgen reinschaute, war sofort klar, dass ich die Frage beantworten muss.

Heute fragt Antonia von Lauter & Leise nämlich folgendes:

Wie nützlich findet ihr die Buchpreisbindung?

Ich muss hier einfach antworten, da allein die Tatsache, dass diese Frage gestellt wird, impliziert ja, dass es einen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Buchpreisbindung geben könnte. Ich möchte also hier und heute eine Lanze für die Buchpreisbindung brechen. Achtung, Loblied incoming!

Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.

– § 1 Buchpreisbindungsgesetz

Der erste Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist gemäß dem ersten Paragraphen des Buchpreisbindungsgesetztes die Sache mit dem Kulturgut. Bücher sind keine einfache Handelsware. Bücher sind Spiegel der Gesellschaft, kollektive Wissensspeicher und Zeitzeugnisse sondergleichen.

Man denke nur einmal an seinen Deutschunterricht zurück: Wenn auch oft völlig überzogen und absolut ätzend, so haben Analysen und Deutungen von älteren Texten durchaus ihren Wert.
Nehmen wir „Effi Briest“ von Theodor Fontane. Ich hasse dieses Buch inbrünstig, aber trotzdem verrät es viel über die Zeit, in der Fontane lebte. Es ist gesellschaftskritisch. Ich finde, solche Texte gehören für die Nachwelt bewahrt – persönliche Vorlieben einmal ignoriert.
Das solche Bücher heute überhaupt verlegt werden können, also Bücher, die vielleicht nicht der nächste große Kassenschlager werden, die es nicht auf die Bestsellerlisten dieser Welt schaffen, das ist zum großen Teil ein Verdienst der Preisbindung.

Ohne Preisbindung verschwänden auf kurz oder lang die kleinen Buchhandlungen von der Bildfläche. Übrigblieben riesige Ketten – wusstest du, dass Thalia und die Mayersche Buchhandlung mittlerweile irgendwie zusammengehören und dass wohl bald auch Osiander mit einsteigt?! Wer also gegen die Preisbindung argumentieren möchte und dazu das Kartellrecht ins Spiel bringen möchte, dem sei gesagt, dass der Buchmarkt ohne Preisbindung zu einem Monopol bzw. Oligopol verkommen würde. Ich möchte mir weder von Thalia, noch von Random House (auch wenn ich viele Bücher aus diesem Hause mag) diktieren lassen, was ich lese. Das wäre aber das endgültige Resultat ohne Preisbindung.

Könnten sich die ganzen kleinen und mittelständischen Buchhandlungen nicht mehr halten, führte dass auch zum Sterben vieler kleiner und mittlerer Verlage und zu einer deutlich geringeren Titelzahl. Wir kämen zu einer „Bestseller-Kultur“ wir in den USA. Einige große Ketten und wenige Verlage bestimmen was „marktgängig“ ist.[1]

Dass das beschrieben Szenario keine finstere Schwarzmalerei ist, zweigte das Erscheinen der englischen Ausgabe des siebten Harry Potter Bandes in Deutschland 2007.
Englischsprachige Bücher, die nicht primär für den deutschen Markt produziert werden, fallen nicht unter die Preisbindung und können daher frei kalkuliert werden.
Es entbrannte also ein Preiskampf um den siebten Band, bei dem der stationäre Buchhandel weitestgehend leer ausging, da der Preis kaum über dem Einkaufspreis und etwa 10,- € unter dem empfohlenen Preis lag. [2]

Ein weiterer Punkt, den der erste Paragraph anspricht, ist die Vielzahl an Verkaufsstellen. Das ist für mich als Buchhändlerin natürlich ein Thema, dass mich auch persönlich betrifft. In Deutschland gibt es rund 5000 Buchhandlungen.
In Städten mit 30.000 bis 50.000 Einwohner sind es im Schnitt fast 3 Buchhandlungen. In Nordamerika sind es im Vergleich dazu 0,75 Buchhandlungen.[3]  Das sind also nur etwa ein Viertel so viele. Übertragen wir das mal auf die 5000 Buchhandlungen, so wären auf kurz oder lang nur noch 1250 Buchhandlungen Deutschland weit übrig. Es käme zu einer Konzentration auf die Ballungsräume.

Das heißt ich hätte als Jugendliche in der Eifel nur über das Internet Bücher bestellen können. Ich hätte niemals stöbern können, niemals Zufallsfunde entdecken können. Für mich als Cover-Käufer irgendwie doof.
Für mich als Buchhändlerin aber noch viel blöder. Man stelle sich einmal vor, dass es pro Buchhandlung 2 BuchhändlerInnen gäbe. Ich glaube, die Zahl stimmt nicht mal ansatzweise, aber das macht es ja in der Realität eher schlimmer als besser. Also: 2 BuchhändlerInnen pro Buchhandlung macht dann 10.000. Es wird wohl eher schwer 10.000 Menschen auf 1250 Buchhandlungen zu verteilen…

Die Preisbindung hat eine lange Geschichte. Sie wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland eingeführt und basierte zunächst auf Verbandsrecht. Ab 1966 bildeten Einheitsverträge zwischen Verlagen und Buchhandlungen, der sogenannte Sammelrevers, die Grundlage für feste Preise. 2002 wurde die Preisbindung dann zum Gesetz um sich vor EU-Eingriffen zu schützen.
Außerdem gibt es übrigens in einigen Ländern eine gesetzliche Buchpreisbindung, nicht nur in Deutschland und Österreich. Mit dabei sind u.a. auch Frankreich, Spanien, Italien und Mexiko.

Jetzt möchte ich noch auf das Totschlagargument, welches Kritiker gerne nutzen, schlechthin eingehen: Ohne Preisbindung wären Bücher günstiger. Ja, ABER…
Ohne Preisbindung wären Bestseller in der Tat günstiger, aber alle anderen Bücher teurer – wenn sie denn überhaupt verlegt würden. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich für meinen Teil lese nicht ausschließlich Bestseller. Also eigentlich kaum. Wenn dann mal zufällig.
Diese Entwicklung war 2007 nach dem Fall der gebundenen Preise in der Schweiz auch binnen weniger Wochen zu beobachten.[4]
Tatsächlich sind Bücher mit Preisbindung im Durchschnitt günstiger als dort wo es keine Preisbindung gibt.

Außerdem: Was passiert wohl, wenn Verlag einem Preiskampf unterworfen werden? Sie versuchen günstiger zu werden, um mithalten zu können. Sie werden also versuchen ihre Kosten zu senken. Das geht dann schnell auf die Qualität – minderwertiges Papier, schlechte Druckqualität usw.

Als letztes noch ein Wort zu Buchpreisen: Bücher sind allgemein viel zu günstig.
In den letzten 20 Jahren sind die Preise kaum gestiegen – trotz steigender Kosten, Inflation etc. Es gibt Tendenzen, die in die Richtige Richtung gehen. Der neue Ken Follett für 36,00 € zum Beispiel. Ja, das ist schon eine Menge Geld, aber verglichen mit einem Kino- oder Konzertbesuch o.ä. durchaus vertretbar, da der dicke Schinken die meisten wohl länger als zwei Stunden beschäftigt.

Meine Antwort auf die Frage, wie nützlich ich die Buchpreisbindung finde, lautet also laut und aus vollem Herzen: Sehr nützlich. Es hängt so viel daran, nicht zuletzt auch mein Job, den ich mit Herzblut mache.

Deine
Marina
(DarkFairy)

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[1] Menche, Birgit und Prof. Dr. Russ, Christian: Preisbindung für Dummies, WILEy-VCH, 1. Auflage, Weinheim 2007, S. 10

[2] Ebd., S. 11f.

[3] Ebd., S. 3

[4] Ebd., S. 12

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