Montagsfrage: Wichtigkeit des Autoren?

Sei gegrüßt.

Ich warte immer noch nervös auf meinen Probedruck. Aber ich habe schon ein paar ermutigende Kommentare und Chats gehabt. Das wird schon alles mit dem Buch. Irgendwie.
Ich rede übrigens von meinem letzten Donnerstagsbeitrag, falls du keine Ahnung hast, was ich hier gerade brabble.

Irgendwie passt die heutige Montagsfrage, auch wenn sie wirklich schwierig zu beantworten ist.
Denn Antonia von Lauter&Leise fragt heute:

Wie wichtig ist der Autor eines Buches?

Ich präzisiere diese Frage zunächst mit einem Zitat aus Antonias eigener Antwort:

Doch wenn das Buch erst einmal im Regal gelandet ist, darum geht es in der heutigen Montagsfrage, wie wichtig ist der Autor dann noch?

Diese Frage lässt sich in einem von zwei Extremen oder Schattierungen dazwischen beantworten. Das eine Extrem wäre zu sagen, der Autor sei das wichtigste an der Geschichte. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass alles, was der Autor im Nachhinein über die Geschichte sagt oder zusätzlich zu einem abgeschlossenen Buch oder einer abgeschlossenen Buchreihe im Nachhinein in Prequels oder Sequels noch niederschreibt, Gesetz ist. Das andere Extrem wäre, einen Autor mit Veröffentlichung des Buches oder mit Beendigung einer Buchreihe, vollkommen von den Büchern zu trennen. Das heißt, alles, was der Autor im Nachhinein über das Buch oder die Bücher noch sagt, keine Rolle spielt, weil das einzige, was wirklich zählt, das ist, was in den Büchern steht.

Mein erster Impuls war: Bitte? Mann kann doch nicht den Autoren von seinem Werk trennen? Er hat es erschaffen, es ist seins.
Dann fing ich an hier zu tippen und ging das Alles noch mal im Kopf durch.

Möchte man ein Buch deuten, dann geht dies meiner Meinung nach nur, wenn man den Autor und seine Lebensumstände miteinbezieht.
Ein Beispiel? Typische Deutschlektüre: Effi Briest. Furchtbares Buch. Grauenvoll. Ich wünschte, ich hätte es nie lesen müssen. Als Fontane es veröffentliche, war es ein totaler Skandal. Das Buch ist stark gesellschaftskritisch. Klar, für uns nicht. Unser Deutsch-LK fragte sich nur, wo plötzlich dieses Kind herkommt. Das da mal zwei Menschen allein in einer Kutsche gesessen haben, dass war jetzt nicht so dramatisch. Ich meine, Taxi teilen ist doch total normal.
Ja, ich gebe zu, das ist jetzt stark verkürzt und überspitzt, aber ich denke du weißt, worauf ich hinaus will. Das ist nun mal ein weites Feld.
.oO(Kann bitte wer dieses Buch aus meinem Gedächtnis löschen? Ich könnte den Speicherplatz für sinnvollere Dinge nutzen…)

In den meisten Fällen, möchte man aber Bücher gar nicht in der Art deuten, wie man es im Deutschunterricht getan hat. Also ich zumindest nicht. Ich lese, weil es mir Spaß macht.
Unbewusst deute ich sicher auch, aber dass ist wirklich das, was ich aus dem Text ziehe, nicht zwangsläufig das, was der Autor sagen wollte.
Antonia führt Harry Potter als Beispiel an. J.K. Rowling hat ja im Nachhinein einiges gesagt, was in den Büchern nicht drin steht. Kann sie das machen? Klar, kann sie, aber deswegen wird es nicht wahr. Sie kann nachträglich alles in ihre Geschichten hineinlegen, was sie möchte. Ich als Leser kann das allerdings auch.

Abstrahieren wir das Ganze mal: Literatur ist eine Form der Kunst. Gehen wir mal davon aus, dass Buch = Bild und Autor = Maler ist.
Leonardo da Vinci kann im Nachhinein – also mal angenommen er lebte noch – auch sagen, dass die Mona Lisa ein Bild eines femininen Mannes ist, mit dem er gegen das bestehende Rollenbild protestieren wollte. Okay. Sehe ich nicht so. Ich sehe auf dem Bild eine Frau, die komisch guckt.
Wer von uns beiden hat jetzt Recht? Beide und keiner. Schrödingers Bild sozusagen.

Der Philosoph, Soziologe, Musikphilosoph und Komponist – zu viele Jobs der Mann – Theodor W. Adorno hat da mal etwas gesagt. Dieses Zitat begleitet mich schon einige Jahre und ich finde, er trifft damit genau den Nagel auf den Kopf:

Kunst ist Magie, befreit von der Lüge Wahrheit zu sein.

– Theodor W. Adorno

Kunst muss nicht wahr sein. Das ist gar nicht ihre primäre Aufgabe. Sie darf natürlich wahr sein, aber sie muss es nicht.
Ich kann einen gesellschaftskritischen Roman schreiben, oder im Nachhinein einfach behaupten, ich hätte es getan. Für die Geschichte an sich, ist das völlig unerheblich. Die fertige Geschichte ist Magie. Sie öffnet Türen in unserem Kopf und sie entführt uns.
Und um das zu tun, ist der Autor für eine fertige Geschichte nicht mehr nötig. Das klingt hart. Ist es auch.

Ich habe Hochachtung vor Autoren. Sie sind es, die die Welten erschaffen, die ich so liebe. Sie sind Künstler, Poeten. Sie sind unerlässlich für die Geschichten, die Bücher, unsere Kultur.
Aber ist die Geschichte fertig, dann ist sie fertig. Möchte ein Autor etwas verbindlich ändern, muss er neu schreiben. So sehe ich das.
Und ich schreibe selber. Ich weiß, wie hart dieses Urteil ist. Aber später etwas über meine Geschichten zu erzählen, dass da vorher nicht war, das niemand nachlesen kann – wie sagte meine Deutschlehrerin immer? Solange man es am Text belegen kann, ist jede Deutung richtig – kommt mir wie Verrat vor, wie das nachträgliche Glattbügeln von Schönheitsfehlern. Man sollte seine Kinder immer so lieben, wie sie sind – auch wenn sie nur aus Tinte und Papier bestehen.

Deine
Marina
(DarkFairy)

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